Land jung denken
– warum wir tun, was wir tun
Warum wir uns gerade ländlichen Räumen zuwenden? Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nehmen häufig die städtische Perspektive an. Darum konzentrieren sich Fördergelder, Versorgungs-, Bildungs- und Kulturangebote nur zu oft auf urbane Räume. Dies führt zu den typischen Assoziationen, die wir mit ländlichen Räumen haben: infrastrukturelle Probleme der Mobilität und ärztlichen Versorgung sowie erschwerte Telekommunikation, schließende Schulen und mangelnde Treffpunkte sowie Freizeitmöglichkeiten.
Wie auch immer sich Demographie und Gesellschaft verändern werden: Wir brauchen ländliche Räume – als (Land-)Wirtschaftsstandort, als naturnaher Ort der Erholung, für ein ökologisches Gleichgewicht aber eben auch als Lebensraum für Menschen.
Natürlich wissen wir um die Herausforderungen, vor denen diejenigen stehen, für die „Land“ alte oder neue Heimat ist. Daher sehen wir unsere Aufgabe darin, diese bei der aktiven Gestaltung ihres Lebensumfeldes und damit ihrer Zukunft zu unterstützen – getreu dem Motto „Krise heißt zugleich Chance, aber die muss man eben auch nutzen.“
Und eine wichtige dieser Chancen sind die entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Wo Altes geht, kann Neues entstehen. Wir helfen dabei, Menschen zusammenzubringen, Kreativität anzuregen, Ideen umzusetzen und Wandel selbstbewusst zu gestalten. Jede*r Einzelne im Dorf ist gebraucht und gefragt. Mit vereinten Kräften kann so ein lebenswertes, buntes Umfeld gestaltet und erhalten werden, das sich sogar vom einheitlicher werdenden Angebot der großen Innenstädte abheben kann. Und tatsächlich zeichnen sich gerade ländliche Räume durch ihre lokalen Besonderheiten, den starken Zusammenhalt und das aktive Gemeindeleben aus.
Mit Sorge schauen ländliche Regionen auf Abwanderungstendenzen junger Menschen. Doch wer will ihnen einen Vorwurf daraus machen, dass sie nach der Schule für Ausbildung, Studium oder Beruf dorthin gehen, wo sie Lehrstellen, Hochschulen und Jobs finden – in die Städte. Selbst wen es aus beruflichen Gründen nicht fortzieht, der wählt vielleicht den Rückzug, weil ihm Handlungsspielraum fehlt. Denn junge Menschen sind auf dem Land viel abhängiger von den bestehenden Möglichkeiten. Erwachsene sind mobiler, haben mehr finanzielle Mittel zur Verfügung und können einfacher Entscheidungen zur Selbstrealisierung treffen.
Dabei gibt es auch eine andere Seite der Medaille: Viele junge Eltern suchen die Zukunft ihrer Familie in ländlichen Regionen. Sie finden sie dort, wo sie neben einer Erreichbarkeit ihres Arbeitsplatzes naturnahe Spielräume für ihre Kinder und eine lebendige Dorfgemeinschaft entdecken. Ihnen und ihren Kindern muss vorgelebt werden, dass vieles von dem in gemeinschaftlichem bürgerschaftlichem Enagement gestaltet werden kann. Und, dass sie willkommen sind.
Es gibt also gleich drei gewichtige Argumente, um sich für junge Menschen stark zu machen: Erstens, wer ihnen Angebote macht, ermutigt sie vielleicht dazu, länger zu bleiben. Und, zweitens, wer diejenigen zu einer Rückkehr bewegen will, der muss ihnen für ihre familiären Pläne Zukunftsperspektiven bieten. Drittens haben junge Menschen nicht nur innovative Ideen, die es lohnt zu hören. Nur sie sind es auch, die diese dauerhaft umsetzen können.
Wir plädieren daher für ein Zuhören, das zu einem Sich-Ausprobieren und Einbeziehen der jungen Menschen führt. Auch in ländlichen Dörfern und Kleinstädten müssen Kinder und Jugendliche sichtbar werden, Raum erhalten und sich entfalten können. Nur wenn junge Menschen „mit am Tisch sitzen“ und selber machen dürfen, können Verwurzelungen vor Ort stattfinden, sich soziale Netze entwickeln und eine Identifikation mit der Region entstehen.
Hiermit sollte aber schon „von Kindesbeinen an“ begonnen werden. Denn nur wer seiner Heimatgemeinde gegenüber eine persönliche Verbundenheit empfindet, der kehrt nach der Berufsausbildung wieder hierher zurück. Es ist banal, aber doch so wichtig: Eine solche entsteht nur bei denjenigen, die mit ihrer Kindheit und Jugend „auf dem Lande“ positive Erlebnisse verbinden.
Und dafür braucht es nicht einmal viel. Denn unserer Beobachtung nach sind junge Menschen in aller Regel froh, etwas eigenes auf die Beine stellen zu können. Das hat dann sogar eine zweifache Wirkung: Zum einen entspricht das Ergebnis ihres Engagements genau ihren Bedürfnissen. Und zum anderen machen sie ganz nebenbei die unmittelbare Erfahrung, dass sie ihren Lebensraum aktiv mitgestalten können – jetzt und nach ihrer Rückkehr. So wird Demokratie und Teilhabe in der Gemeinschaft nachhaltig gelernt und gelebt.