Engagement fördern
In unserer Arbeit erleben wir jedoch nur in Ausnahmefällen, dass sich engagierte Menschen wie ausgebeutete Lückenfüller fühlen. Ihre Motivation ist nicht die Not, sondern die dabei erlebte Freude in einer Gemeinschaft. Manchmal sogar das intensive Gefühl, sich im Engagement selbst verwirklichen zu können. Unzufriedenheit herrscht hingegen überall da, wo es an Anerkennung fehlt. Gemeint ist hiermit aber nicht etwa eine Auszeichnung oder öffentliche Ehrung für aufopferungsvollen Einsatz. Engagierte wünschen sich allgemein, gesehen zu werden und dass man ihre Wünsche ernst nimmt – die sich in aller Regel auf die Erwartung einer konstruktiven Zusammenarbeit beschränken.
„Do it yourself“ ist also mehr als ein Trend – es ist eine zutiefst demkoratische Überzeugung: Wer darauf wartet, dass Staat/Land/Kommune persönliche Bedürfnisse befriedigen, hat nicht verstanden, dass diese nur funktionieren, wenn ich selbst meinen Teil dazu beitrage. Mindestens in Form von Steuern und Wahlen, bestenfalls aber eben auch durch aktive, kooperative Teilhabe. Denn wir alle sind „das Land“.
Dass die Bereitschaft für ein bürgerschaftliches Enagegment seit Jahren auf einem hohen Niveau ist und beständig steigt, zeigt der wiederkehrende deutschen Freiwilligensurveys (zuletzt 2014). In ländlichen Räumen waren es zuletzt 45,5% der Bevölkerung, die sich engagierten.
Gleichwohl kann die Einsatzbereitschaft für die Gemeinschaft nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Denn der Freiwilligensurvey zeigt eben auch, dass eine solche z.B. sehr stark vom Grad der individuellen Bildung abhängt. Sicherlich spielt hier auch die damit verbundene finanzielle Sicherheit eine Rolle: Wer sich um seine eigene Existenz sorgen muss, der hat wenig Raum für die Bedarfe anderer. Es liegt darüber hinaus aber auch nahe, dass mit einem höheren Bildungsgrad zugleich auch das Selbstvertrauen größer ist, die Welt (mit)verändern zu können – bspw. auch durch Engagementerfahrungen der Eltern.
Wir sehen unsere Aufgabe daher darin, über unser Bildungsangebot Schlüsselkompetenzen zu fördern und Mut zu machen, sich zu engagieren. Es ist kein Zufall, dass das Wort Kompetenz zugleich Fähigkeiten/Kenntnisse aber auch Zuständigkeit/Verantwortung meint. Wer etwas kann, der hat auch die Verantwortung es zu tun (plastischtes Beispiel: Erste Hilfe). Umgekehrt gilt – gerade für kommunale Entscheider*innen, oder jene in Vereinen – aber auch: Wer Kompetenz fördern will, der muss Verantwortung abgeben und Bürger*innen eigene Erfahrungen machen lassen. Befähigung heißt also auch Ermächtigung (Empowerment).
Denn gerade ländliche Gemeinschaften brauchen kompetente, fähige, verantwortungsvolle, motivierte und engagierte Bürger*innen. Hierzu wollen wir unseren Beitrag leisten.
Wir beschränken uns daher nicht nur auf die Qualifikation Engagierter. Denn mindestens so wichtig wie deren Empowerment ist, mit Hilfe von Schlüsselpersonen einer Gemeinde die Voraussetzungen für bürgerschaftliche Aktivitäten zu schaffen. Da Gemeinschaftsgefühl zentraler Motivator für ein Engagement ist, muss an erster Stelle einmal dieses geschaffen werden. Die Hoffnung, zusammen etwas zum besseren zu verändern. Hierfür kann den Boden bereiten, wer Gelegenheiten für Begegnung und Austausch schafft und gemeinsame Lösungsfindungen anregt (bspw. durch Beteiligungsformate).
Jetzt hören wir auch die Kritik, dass Vereine als Orte der Teilhabe durchaus existieren und nur darauf warten, dass sich jemand partizipativ einbringt. Vereinsvertreter*innen fragen sich zu Recht, warum der Freiwilligensurvey eine zunehmende Engagement-Bereitschaft fesstellt, sich aber zugleich immer weniger Menschen für ein Ehrenamt finden lassen.
Die Antwort ist: Weil das (bisherige) Vereinsangebot oft nicht zu den Bedürfnissen Engagierter passt. Besonders auffällig ist dies unserer Erfahrung nach bei jungen Menschen und Familien. Ihre Biografien sind deutlich fragmentierter als in vergangenen Generationen, Beruf und Ausbildung verlangen ihnen ein hohes Maß an Flexibilität ab. Um sich in den verbleibenden Zeitfenstern engagieren zu können, brauchen sie einen Rahmen, der ein zeitlich befristetes (Kurzzeit-)Engagement und asynchrones Arbeiten (z.B. über digitale Tools der Zusamenarbeit) ermöglicht. Wir beraten, wie Institutionen und bürgerschaftliche Gruppen offen werden – für neue Menschen, aber eben auch für Neuerungen.